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Warum deutsche Autobauer 4x so teuer und 2x so langsam sind
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Herzlich willkommen zur 68. Ausgabe von Der Autopreneur.
Das hören wir immer wieder: Deutsche Autobauer sind zu teuer und zu langsam. Vor allem gegenüber chinesischen OEMs.
Doch was bedeutet das konkret? Woher kommt dieser Unterschied? Und vor allem: Was können wir daran ändern?
Trigger für den heutigen Newsletter ist eine aktuelle Bain-Studie. Die Zahlen zeigen: Der Abstand zu chinesischen Wettbewerbern ist größer als viele vermuten.

Der uniforme Autovorstand (KI-generiertes Symbolbild)
4x so teuer aber nur halb so schnell
Deutsche Autohersteller haben ein Effizienzproblem.
Laut Bain kosten deutsche Fahrzeugentwicklungen etwa 4x mehr als chinesische. Konkret: Chinesische OEMs benötigen nur 27% des Budgets deutscher Hersteller.
Gleichzeitig sind sie doppelt so schnell. Was bedeutet das genau?
Von der ersten Skizze bis zum Produktionsstart brauchen deutsche OEMs im Schnitt 48 bis 54 Monate. Chinesische Wettbewerber schaffen das in 24 bis 30 Monaten. Manche sogar in 18 Monaten.
Und der Abstand wächst weiter.
CATL hat kürzlich ein Skateboard-Chassis auf den Markt gebracht.
Das ist quasi eine vorgefertigte Plattform, die alle wichtigen Komponenten enthält. Batterie, Antrieb, Steuerung und Fahrwerk. Autohersteller müssen nur noch ihre Karosserie oben draufsetzen. Wie ein Skateboard mit austauschbarem Deck. Deshalb der Name.
Mit dieser Plattform lassen sich neue Fahrzeuge in nur 12-18 Monaten vom Konzept bis zur Marktreife bringen.
Das unterbietet die ohnehin schon schnellen chinesischen Entwicklungszeiten nochmals um 40%.
Mazda hat gerade angekündigt, mit CATL zu kooperieren. Chinesische Hersteller wie Avatr, Changan und Neta nutzen das System bereits.
Der Unterschied in der Geschwindigkeit wirkt sich direkt auf die Produktzyklen aus.
Chinesische Modelle sind durchschnittlich 1,3 Jahre auf dem Markt, bevor Updates oder neue Versionen kommen.
Bei westlichen Marken sind es im Schnitt ca. 4 Jahre.
Das Ergebnis: Deutsche Hersteller brauchen 2x so lange und geben 4x so viel aus. Natürlich sind die Autos dann entsprechend teurer.

Entwicklungskosten pro Fahrzeug im Vergleich (Quelle: Bain & Company)
Warum sind wir so langsam?
Die naheliegende Erklärung wäre: "Die Chinesen sparen an der Qualität."
Aber so einfach ist es nicht.
Chinesische E-Autos schneiden in Euro-NCAP-Tests hervorragend ab. Sie gewinnen Design- und Technologiepreise. Und selbst der ADAC bestätigt: Die Qualität ist auf europäischem Niveau.
Die wahren Gründe liegen woanders:
1. Zu viele Modelle
Europäische OEMs haben ihr Modellportfolio seit 2000 um etwa 250% aufgebläht. Jede Marke bietet Dutzende Varianten und Derivate an. Jedes davon braucht eigene Entwicklungsressourcen.
Chinesische Hersteller setzen auf wenige Kernmodelle und modulare Plattformen. Sie folgen dem "Less is more"-Prinzip. Weniger Varianten, mehr Fokus.
Zusätzlich entwickeln deutsche Hersteller gleichzeitig 3 Antriebsarten: Verbrenner, Hybride und E-Autos. Das verteilt Ressourcen auf zu viele Projekte.
2. Meeting-Kultur und zu viele Entscheider
Wir haben komplizierte Entwicklungsprozesse mit vielen Abstimmungsschleifen und Hierarchieebenen.
Ein Manager eines deutschen OEMs brachte es kürzlich so auf den Punkt: "Wir haben endlose Meetings, nur um zu entscheiden, wann das nächste Meeting stattfindet."
In deutschen Konzernen dominiert nach wie vor Silo-Denken. Abteilungen verteidigen ihre kleinen Fürstentümer. Hierarchie zählt mehr als gute Ideen. Politik und interne Machtspiele verlangsamen Entscheidungen.
3. Deutscher Perfektionismus
Deutsche Ingenieure wollen jeden Aspekt bis ins letzte Detail planen. Alles muss perfekt sein, bevor ein Auto auf den Markt kommt.
In der Verbrenner-Ära war genau das ein Wettbewerbsvorteil. Heute wird es zum Problem.
Chinesische OEMs folgen dem Silicon-Valley-Prinzip: "Ship fast, fix later."
Sie bringen Autos mit teilweise noch nicht voll aktivierter Hardware auf den Markt. Features werden später via Software-Updates nachgeliefert. Ein diametral anderer Ansatz der Fahrzeugentwicklung.
Diese "Software First"-Mentalität kommt von Tesla. Schnell starten und kontinuierlich verbessern.
Das Ergebnis? Während wir noch an der perfekten Lösung feilen, haben Chinesen bereits 2 Produktgenerationen ausgerollt.
4. Fragmentierte Lieferketten
In China sitzen Entwicklung, Fertigung und Zulieferer oft Tür an Tür. Wenn ein Hersteller ein größeres Display braucht, geht er "die Straße runter" zum Lieferanten. Ein paar Monate später ist die Änderung verbaut.
In Europa kann so eine einfache Anpassung 3-4 Jahre dauern. Die langen Entscheidungswege und globalen Lieferketten verlangsamen jede Änderung.
Ironischerweise hatten wir in Deutschland früher genau so ein Ökosystem. OEMs, Zulieferer und Entwicklungsdienstleister waren eng vernetzt und geografisch konzentriert.
Das war ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Autostandort Deutschland.
Bei neuen Technologien fehlt uns dieses Ökosystem. Batterien, Halbleiter und Software - alles müssen wir global beschaffen.
Unser historischer Heimvorteil ist verpufft.
5. Hardware-Obsession
Chinesische Hersteller verstehen das Auto als Tech-Gadget. Die Entwicklung folgt dem Prinzip "Software first, Hardware second".
Bei deutschen Herstellern steht immer noch die Mechanik im Vordergrund. Software wird oft als Zusatz betrachtet und nachträglich integriert.
Chinesische Autos bekommen kontinuierlich Over-the-Air-Updates. Neue Funktionen erscheinen laufend. Deutsche Modelle erhalten größere Updates oft nur bei Modellwechseln alle paar Jahre.
6. Teure Standorte
Deutsche Autobauer konzentrieren ihre Entwicklung fast ausschließlich in teuren Ländern. Rund 3/4 der R&D-Mitarbeiter arbeiten an Hochlohnstandorten wie Deutschland.
Chinesische und asiatische Hersteller nutzen das globale Lohngefälle strategisch. Sie profitieren von niedrigeren Personalkosten in ihren Heimatmärkten. Zudem bauen sie gezielt Entwicklungszentren in verschiedenen Regionen auf.

Entwicklungskosten pro Fahrzeug im Vergleich (Quelle: Bain & Company)
7. Abhängigkeit von Zulieferern
Viele chinesische OEMs stellen Schlüsselkomponenten selbst her. BYD ist hier Vorreiter. Batterien, Chips, Motoren und Software kommen aus eigener Produktion.
Deutsche Hersteller sind stark von externen Zulieferern abhängig. Das treibt nicht nur die Kosten durch zusätzliche Margen. Es macht auch jede Änderung komplizierter und zeitaufwändiger.
8. Strategische staatliche Unterstützung
Von 2009 bis 2023 hat China die heimische EV- und Batteriebranche mit über 230 Mrd. USD unterstützt.
Es gab großzügige Kaufprämien und Steuervorteile. Dazu kamen F&E-Zuschüsse und billige Kredite. So entstand ein perfektes Umfeld für chinesische Hersteller.
In Europa passiert industriepolitische Förderung oft nur zögerlich und unkoordiniert. China verfolgt seit über einem Jahrzehnt eine klare Strategie.
Diese kontinuierliche Unterstützung gibt Planungssicherheit und beschleunigt Innovationszyklen.
Der Preis der Ineffizienz
Die Konsequenzen dieser Unterschiede?
In der Kompaktklasse können chinesische Firmen ein E-Auto um rund 10.000 € günstiger bauen als europäische Konkurrenten.
Der Durchschnittspreis eines E-Autos liegt in China bei umgerechnet etwa 32.000 Euro. In Europa sind es rund 66.000 Euro.
In China sind E-Autos damit inzwischen sogar billiger als vergleichbare Verbrenner. Bei uns sind sie oft noch deutlich teurer.
Was müssen deutsche Autobauer jetzt tun?
Was können wir daraus lernen? Wie können wir wieder schneller und günstiger werden?
1. Produktportfolio vereinfachen. Die Modell- und Variantenvielfalt muss zurückgefahren werden. Weniger ist mehr. Statt Dutzender Varianten brauchen wir wenige, gut durchdachte Modelle auf gemeinsamen Plattformen.
2. Entscheidungen beschleunigen. Keine endlosen Gremien mehr. Gremien am besten komplett abschaffen. Stattdessen: Klare Ownership. Ein Product Owner muss volle Entscheidungsgewalt haben. Ohne dass 20 Manager oder Stakeholder ihren Senf dazugeben müssen.
3. In China präsent sein. Wir müssen dort entwickeln, wo das Innovationsökosystem für neue Technologien existiert. Die Nähe zu Zulieferern für Batterien, Chips und Software spart enorm viel Zeit. Parallel sollten wir aber natürlich auch an einem eigenen Ökosystem in Europa arbeiten.
4. Diversität in den Vorstand bringen. Wo sind die Software-Experten im Vorstand? Oder am besten direkt auf dem CEO-Posten? Ich denke wir sind uns einig: Die Kernkompetenzen im Automotive haben sich verschoben. Trotzdem haben wir diesen Shift in den Vorständen so gut wie gar nicht abgebildet. Da sitzen immer noch hauptsächlich Maschinenbauer und BWLer.
Und dann ist da noch China. Unser wichtigster Absatzmarkt. Warum sitzt also kein Chinese im Vorstand? Jemand der den Markt und vor allem die kulturelle Prägung der Kunden verstehst. Ich denke nicht, dass ein deutscher mit ein paar Jahren China-Erfahrung, das adäquat abdecken kann.
5. Mit dem Perfektionismus brechen. Der deutsche Perfektionismus hat uns im Verbrenner-Zeitalter groß gemacht. Im Software-Zeitalter wird er zum Hindernis. Ein Auto muss nicht 100% perfekt sein, bevor es auf die Straße darf. In einer Welt der Software-Updates können wir kontinuierlich verbessern.
Das Problem liegt nicht bei den Ingenieuren. Es ist zu oft unsere Unternehmenskultur, die uns ausbremst.
Wir müssen neu definieren, was Qualität bedeutet. Ein Auto, das zu spät und zu teuer auf den Markt kommt, kann nicht "gut" sein. Egal wie perfekt die Technik ist.
Entweder wir ändern unsere Denkweise, oder wir werden überholt. Die chinesischen Wettbewerber haben bewiesen, dass sie nicht nur schneller und günstiger sind. Sie werden auch immer besser.
PS: Wie immer bespreche ich das Thema noch ausführlicher im begleitenden Podcast.
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Bis zum nächsten Mal,
— Philipp Raasch
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