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Warum BMW, Mercedes & VW plötzlich gemeinsam Software bauen

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Herzlich willkommen zur 75. Ausgabe von Der Autopreneur.

Wenn Apple ein iOS-Update ausrollt, erreicht der Code innerhalb von Stunden über 1 Milliarde iPhones. Jedes Jahr kommen nochmal 232 Mio. neue Devices dazu.

VW ist der zweitgrößte Autobauer der Welt. Trotzdem hat die Marke VW 2024 gerade mal 4,8 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Das sind Top-Zahlen für Automotive. Aber verglichen mit Software? Peanuts.

Alle Autohersteller zusammen verkaufen nur etwa 75 Millionen Pkw pro Jahr. Diese verteilen sich auf Dutzende Marken. Genau hier liegt das Software-Dilemma der Autoindustrie: minimale Stückzahlen, maximale Komplexität.

Trotzdem entwickelt bisher fast jeder Hersteller seine eigene Fahrzeug-Software. Mit mäßigem Erfolg.

Gleichzeitig wird das Window of Opportunity für traditionelle Autobauer immer kleiner. Es bleibt nicht viel Zeit, um sich bei Software neu zu erfinden. Big Techs drängen immer tiefer ins Auto. Software-Companies wie Xiaomi bauen auf einmal ihre eigenen Fahrzeuge.

Letzte Woche hat die deutsche Autoindustrie reagiert. 11 Autobauer und Zulieferer haben ein historisches Abkommen unterzeichnet. Sie wollen ab sofort gemeinsam Software im Auto entwickeln. Es könnte der Startschuss für etwas Großes sein.

Heute schauen wir uns an, was genau geplant ist. Und warum dieser Move positiv ist. 

Für diesen Newsletter habe ich unter anderem mit Markus Rettstatt gesprochen. Er verantwortet die Kooperation bei Mercedes.

KI-generiertes Symbolbild

Die Software-Challenge der Autobauer

Ein modernes Auto enthält heute mehr als 100 Millionen Zeilen Code. Das ist mehr als Windows und MacOS zusammen. Die Komplexität ist enorm.

Auto-Software muss:

  • 15+ Jahre zuverlässig funktionieren

  • Höchste Sicherheitsstandards erfüllen

  • Perfekt mit der Hardware zusammenspielen

  • Extrem energieeffizient sein

Und ehrlich gesagt: Die meisten Hersteller sind bisher daran gescheitert. Über VW und CARIAD habe ich ja vor ein paar Wochen schon ausführlich berichtet. Aber auch andere OEMs haben mit der Transformation zu kämpfen.

Gleichzeitig wird Software immer wichtiger. Der Anteil der Software an der Wertschöpfung eines Autos steigt kontinuierlich. Studien gehen davon aus, dass er bis 2030 auf 40% anwachsen wird. Das heißt: Wer Software nicht beherrscht, verliert fast die Hälfte der Wertschöpfung an andere.

Ich hatte 2011 als Praktikant bei Mercedes angefangen. Schon damals hab ich Powerpoints zum Software-Shift erstellt. Das Problem war also nie mangelnde Erkenntnis. Es war immer die Umsetzung. Und die ersten Versuche der Hersteller waren oft ernüchternd.

Es wird immer deutlicher: Allein schafft man das nicht.

Was ist passiert?

Am 24. Juni haben sich 11 Unternehmen beim Automobil-Elektronik-Kongress in Ludwigsburg getroffen. Unter der Koordination des VDA haben sie eine Absichtserklärung unterzeichnet.

Mit dabei sind:

  • OEMs: BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen

  • Zulieferer: Bosch, Continental, ZF, Vector, Valeo, ETAS, Qorix, Forvia

Sie vereinbarten die Entwicklung einer gemeinsamen Software-Plattform namens S-CORE (Safe Open Vehicle Core).

Der VDA beschreibt es so: "Ein beträchtlicher Teil der Fahrzeugsoftware ist für den Nutzer unsichtbar. Diese Teile können und sollten wir gemeinsam entwickeln."

Genauer gesagt geht es um den Middleware-Stack. Das ist die Software-Schicht zwischen dem Betriebssystem und den Anwendungen. Sie enthält Funktionen wie:

  • Diagnose-Schnittstelle für Fehlersuche und Wartung

  • Sicherheitsmanagement für verschlüsselte Kommunikation

  • Kommunikationsprotokolle für den Datenaustausch

  • Mechanismen für Over-the-Air-Updates

Kunden sehen davon nichts. Für die Funktion des Autos ist es aber essentiell.

Die Unternehmen arbeiten nach dem Open-Source-Prinzip zusammen. Der Code ist öffentlich zugänglich. Verwaltet wird er durch die Eclipse Foundation. Eine unabhängige Organisation, die seit 2004 Open-Source-Projekte betreut.

Warum gerade jetzt?

Die Initiative kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Drei Hauptfaktoren haben sie vorangetrieben:

1) Geopolitische Spannungen

Die Handelskonflikte zwischen den USA und China verschärfen sich. Chinesische Auto-Software darf bald nicht mehr in den USA verwendet werden.

Ein Desaster für Autobauer. Denn es heißt: Sie brauchen 2 völlig separate Software-Stacks. Einen für den Westen. Einen für China. Das bedeutet: Doppelte Kosten. Doppelte Komplexität.

Der Clou bei Open Source: Es ist von vielen dieser Exportbeschränkungen ausgenommen. Der Code ist ja öffentlich, jeder kann ihn einsehen. Ein ziemlich smarter Move.

2) Enorme Kostenbelastung

Wie gesagt: Software wird immer wichtiger und teurer für Autobauer. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein einzelnes Software-Modul kann über 1 Mio. Euro kosten. Plus jährliche Gebühren.

Für große Autobauer ist das machbar. Kleinere Hersteller können sich das kaum leisten.

3) Das schrumpfende Zeitfenster

Die Branche steht unter Zeitdruck:

  • Apple und Google erweitern ihre Auto-Integrationen

  • Xiaomi und andere Tech-Player bauen eigene Fahrzeuge

  • Neue Autobauer aus China und den USA erobern immer mehr Marktanteile

Für traditionelle Autobauer gibt es nur 2 Optionen: Bei Software mithalten. Oder Wertschöpfung und Marktanteile verlieren.

Man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt

Die Auto-Industrie hat tatsächlich schon öfter versucht, bei Software zusammenzuarbeiten. Es gab Initiativen wie HERE oder Catena X. Aber die haben bisher nicht die erhofften Ergebnisse geliefert.

Diesmal will man es bewusst anders machen. Nicht erst monatelang Pflichtenhefte schreiben. Keine Kommunikation über Powerpoints. Keine endlosen Meetings. 

Stattdessen: Direkt Code entwickeln. Testen. Verbessern.

Markus von Mercedes erklärt es mir so: “Wir setzen auf Code-First. Das stellt sicher, dass reale, lauffähige Software entsteht.”

Der Zeitplan ist ambitioniert:

  • Ende 2025: Erste funktionsfähige Version (MVP)

  • 2026: Vollständiger Software-Stack für autonome Fahrplattformen

  • 2030: Erste Serienfahrzeuge mit dem gemeinsamen Stack

Die Entwickler arbeiten nicht in einem gemeinsamen Office. Sie sind Code-Plattformen vernetzt. Jeder kann Verbesserungen vorschlagen. Qualitätsprüfungen finden gemeinsam statt. Und monatliche Updates bringen alle Änderungen zusammen.

Diese Form der Zusammenarbeit ist in der Tech-Branche Standard. Für die Autoindustrie ist sie neu.

Software ist nicht gleich Software

Software wird immer wichtiger für die Differenzierung. Aber: Jetzt soll sie gemeinsam entwickelt werden.

Das führt uns zur Frage: Wie unterscheiden sich die Produkte dann noch?

Die Antwort: Nicht die komplette Software wird gemeinsam entwickelt.

Die Grenze verläuft zwischen sichtbaren und unsichtbaren Funktionen. Geteilt werden nur Basis-Komponenten, die für alle technisch notwendig sind.

Nicht geteilt werden Dinge wie:

  • Fahrwerksabstimmung und Antriebslogik

  • Infotainment, UI und Connected Services

  • Fahrassistenzsysteme und autonomes Fahren

Nach Expertenschätzungen fließen heute etwa 40% der Entwicklungskapazität in nicht-differenzierende Software. Durch das gemeinsame Projekt könnte dieser Anteil auf 20% reduziert werden.

Die freiwerdenden Ressourcen kann man dann in echte Innovationen investieren. Also in Features, die Kunden wirklich wahrnehmen. Das ist der eigentliche Effizienzgewinn des Projekts.

Was heißt eigentlich Open Source?

Der Code ist öffentlich. Für jeden einsehbar. Auch für Wettbewerber aus China, den USA oder Japan.

Ein naheliegender Einwand: Wenn der Code öffentlich ist, können ihn dann nicht auch die Konkurrenten nutzen?

Die Antwort: Ja, können sie. Aber das ist Teil der Strategie.

Markus von Mercedes erklärt: "Open Source heißt: Der Code ist offen. Aber das heißt nicht, dass alle automatisch den gleichen Nutzen daraus ziehen. Der wahre Wert liegt nicht im Sehen, sondern im Mitgestalten."

Heißt: Nur wer mitarbeitet, kann mitbestimmen.

Die Initiative ist bewusst offen für weitere Partner. Es können sich also auch die Japaner, die Chinesen oder Koreaner anschließen. Das wäre sogar positiv.

Mein Take

“Kannst du nicht auch mal was Positives über die deutsche Autoindustrie schreiben?” 

Diese Frage bekomme ich fast täglich zu hören. Und ehrlich gesagt: In letzter Zeit war das gar nicht so einfach. Denn wir gehen gerade wirklich durchs Tal der Tränen.

Aber here we go: Das ist tatsächlich mal eine positive News.

Die Erkenntnis ist nicht neu: Software wird zur Kernkompetenz. Neu ist die Bereitschaft, wirklich zusammenzuarbeiten.

Es ist ein bisschen wie Erwachsenwerden. Jahrelang wurde experimentiert. Jetzt hat die Autoindustrie erkannt: Bei Software muss sie andere Wege gehen.

Wird das Projekt Erfolg haben? Die Chancen stehen besser als bei früheren Versuchen:

  • Der Pain ist größer

  • Der Ansatz ist pragmatischer

  • Und man kennt die Fehler der Vergangenheit

Entscheidend wird: Ob die Unternehmen wirklich am Ball bleiben. Eine Absichtserklärung ist nice. Aber sie ist aber natürlich nicht verbindlich. We will see.

Ich drücke jedenfalls fest die Daumen, dass diese Initiative zu einer deutschen Success Story wird. Denn die könnten wir gerade wirklich gut gebrauchen.

PS: Wie immer bespreche ich das Thema noch etwas ausführlicher im begleitenden Podcast.

Warum ich bei Mercedes jeden Tag frustrierter wurde…

2019. Mein letztes Jahr bei Mercedes.

Mein größtes Problem?

8 Stunden Meetings am Tag. Hunderte ungelesene Mails. Newsletter. LinkedIn-Posts. Der volle Info-Overload.

Mein Anspruch: Über alles Bescheid wissen.

Die Realität: Ich hatte null Zeit dafür.

Dieses Problem haben heute 90% aller Automotive-Professionals.

Ein klassischer Zielkonflikt: Um die richtigen Entscheidungen zu treffen, musst du gut informiert sein. Aber das Tagesgeschäft firsst dich komplett auf.

Ich kenne dieses Gefühl zu gut. Es hat mich wahnsinnig gemacht.

Deshalb habe ich 'Der Autopreneur Pro' entwickelt.

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Hier die Wochenperformance der wichtigsten Automotive-Werte:

Woche Δ: Kursveränderung der letzten Woche
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Philipp Raasch

Bis zum nächsten Mal,
— Philipp Raasch

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