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Der versteckte Hebel, mit dem China unsere Autoindustrie ausschalten kann
Herzlich willkommen zur 71. Ausgabe von Der Autopreneur.
60 chinesische Beamte. Mehr braucht es nicht, um die westliche Autoindustrie lahmzulegen.
Donald Trump erhöht die Zölle auf chinesische Waren. China antwortet mit Exportkontrollen für Seltene Erden. Und plötzlich könnten in Deutschland Autofabriken stillstehen.
Das Problem? Keine Seltenen Erden bedeutet: keine Magnete. Keine Magnete bedeutet: keine Elektromotoren. Und das heißt keine Autos, Smartphones oder Kampfjets.
Wie ernst die Lage ist, zeigt dieser Fakt: Trump setzte am Donnerstag alle Hebel in Bewegung, um irgendwie Xi Jinping ans Telefon zu bekommen. Zum ersten Mal in seiner aktuellen Amtszeit. Einziges Thema: Die Seltenen Erden.
Das Ganze ist ein Symptom für ein größeres Problem:
Die Ära des freien Welthandels geht zu Ende. Wirtschaftliche Entscheidungen werden zunehmend geopolitisch diktiert.
Heute schauen wir uns an, was das für Europa bedeutet. Und wie unsere Abhängigkeiten plötzlich zum existenziellen Risiko werden.

KI-generiertes Symbolbild
Was die aktuelle Krise ausgelöst hat
Alles beginnt im April 2025. Trump erhöht die Zölle auf praktisch alle chinesischen Waren. China reagiert mit Gegenzöllen. Aber auch mit Exportkontrollen für 7 strategische Seltene Erden.
Anfangs stoppt China die Ausfuhren komplett. Später führt Peking ein kompliziertes Lizenzsystem ein. Bis heute werden nur etwa 25% der Anträge genehmigt.
Besonders absurd: In der zuständigen Behörde arbeiten nur 60 Mitarbeiter. Davon dürfen gerade mal 3 Beamte Genehmigungen unterschreiben. Und das Büro hat strikte Öffnungszeiten: 8:30 bis 11:30 Uhr morgens und 14 bis 17 Uhr nachmittags. Man könnte meinen, China hat hier bewusst ein Bottleneck eingebaut.
Offiziell begründet China die Maßnahme mit nationaler Sicherheit. Die Metalle können militärisch genutzt werden. Tatsächlich sind sie aber ein machtvolles Druckmittel im Handelskonflikt.
Und zwar nicht nur gegen die USA. Sondern auch gegen Europa.
Aktuell verhandelt die EU mit China über die Aufhebung der Strafzölle auf chinesische E-Autos. Und da ist so ein Rohstoff-Monopol ein ziemlich starkes Verhandlungsargument.
Was sind Seltene Erden überhaupt?
Der Name ist irreführend. Denn tatsächlich sind das keine Erden sondern Metalle. Und selten sind sie auch nicht wirklich.
Das Problem ist allerdings: Sie kommen fast nie in hoher Konzentration vor. Man muss tonnenweise Gestein verarbeiten, um geringe Mengen zu gewinnen.
China besitzt etwa 1/3 der weltweiten Reserven. Weitere Länder mit nennenswerten Vorkommen sind Brasilien, Vietnam und Russland.

Chinas Dominanz bei Seltenen Erden-Reserven (Quelle: Reuters)
Die Gewinnung ist jedoch aufwendig und umweltbelastend:
Das Erz wird abgebaut und zerkleinert
Es folgt eine chemische Behandlung mit starken Säuren
Die Trennung erfordert über 100 Verarbeitungsschritte
Pro Tonne Metall entstehen bis zu 2.000 Tonnen giftiger Abfall
Der Westen hat diese "schmutzige Arbeit" jahrzehntelang gerne China überlassen. So entstand die heutige Abhängigkeit.
China kontrolliert 70% des Abbaus und 90% der Verarbeitung.

Chinas wachsende Dominanz bei der Förderung (Quelle: Bloomberg)
Warum das für die Autoindustrie wichtig ist
Seltene Erden braucht man für besonders starke Magnete. Diese sind bis zu 15-mal stärker als gewöhnliche Eisenmagnete. Bei deutlich geringerem Gewicht.
Solche Permanentmagnete stecken in Elektromotoren. Und diese Motoren sind überall im Auto:
In E-Auto-Antrieben
In Servolenkungen
In Fensterhebern
In Sitzverstellungen
In Scheibenwischern
In Bremsassistenten
Ein durchschnittliches Premium-Auto enthält heute bis zu 70 kleine Elektromotoren. Fast alle brauchen Magnete mit Seltenen Erden. Allein ein Autositz kann 12 Magnete enthalten.
Die Lagerbestände in Europa gehen zur Neige
Experten vergleichen die aktuelle Situation mit der Chipkrise während Corona. Die Lagerbestände reichen nur noch für wenige Wochen.
Der VDA warnt: "Wenn sich die Situation nicht schnell ändert, drohen Produktionsstopps."
Besonders betroffen sind zunächst die Zulieferer. Der europäische Verband CLEPA berichtet bereits von stillgelegten Produktionslinien.
Die Hersteller reagieren unterschiedlich:
BMW: "Teile des Lieferantennetzwerks sind betroffen", aber die Werke laufen noch normal
Mercedes: Prüft "physische Puffer" - also das Hamstern kritischer Komponenten
VW: Spricht von "stabiler Versorgung", steht aber in "engem Austausch mit Lieferanten"
Erste konkrete Folgen sind schon sichtbar: Ford musste sein Werk in Chicago für eine Woche schließen. Der Grund: fehlende Magnete.
Die Preise für Seltene Erden sind bereits um 40-50% gestiegen. Das chinesische Lizenzsystem ist zudem völlig intransparent.
Ein Insider sagt: "Man bekommt zwar Lizenzen. Aber man weiß nie, ob plötzlich die Ausfuhr gestoppt wird. Etwa wegen eines angeblichen Formfehlers."
Die Antragsverfahren sind extrem komplex. Unternehmen müssen teilweise sensible Infos und geistiges Eigentum offenlegen.
Die Verzweiflung ist groß
Einige Autobauer erwägen sogar, Teile der Produktion nach China zu verlagern. Die Logik: Während der Export von Magneten streng kontrolliert wird, können fertige Komponenten mit Magneten leichter aus China ausgeführt werden.
Die Ironie: Der Handelskrieg sollte Produktion zurück in den Westen bringen. Jetzt könnte genau das Gegenteil passieren.
Andere prüfen die Verwendung alternativer Technologien. BMW nutzt in seinen neuesten E-Autos magnetfreie Elektromotoren. Die sind teurer aber kommen ohne Seltene Erden aus. Allerdings braucht auch BMW die Seltenen Erden für alle weiteren kleineren Motoren im Auto.
Die Hilflosigkeit des Westens
Europa ist abhängig. Zwei Drittel der Seltenen Erden in Deutschland kommen aus China, bei manchen Elementen sind es 100%.
Die EU und die USA drängen auf eine Lösung. Der EU-Handelskommissar spricht von einer "alarmierenden Situation". Doch China sitzt am längeren Hebel.
Experten schätzen: Es würde 15-18 Jahre dauern, um ausreichend Produktionskapazitäten außerhalb Chinas aufzubauen.
Und es geht nicht nur um Autos. Ohne Seltene Erden funktionieren weder Windräder noch Smartphones. Weder MRT-Geräte noch Kampfjets.
Und das ist kein Einzelfall. Wir haben ähnliche Abhängigkeiten bereits erlebt:
Bei russischem Gas
Bei Computerchips
Bei Batterien für E-Autos
Parallel führen wir dieselbe Debatte um Software und KI aus den USA.
Der freie Handel wird zunehmend eingeschränkt. In dieser neuen Realität werden strategische Abhängigkeiten schnell zum Problem.
Was jetzt zu tun ist
Europa hat bereits erste Schritte unternommen. Im "Critical Raw Materials Act" setzt die EU konkrete Ziele:
10% des Bedarfs an kritischen Rohstoffen sollen bis 2030 aus heimischer Produktion kommen
40% sollen in Europa verarbeitet werden
Das reicht aber nicht. Und ist auch zu langsam.
Wir brauchen eine Gesamtstrategie und ein ganzes Maßnahmenpaket:
Strategische Reserven aufbauen, wie Japan es mit Vorräten für 18 Monate tut
In alternative Technologien investieren, wie BMW mit seinen magnetfreien Motoren
Lieferantenbeziehungen diversifizieren statt alles aus einer Quelle zu beziehen
Recycling-Kreisläufe für Seltene Erden aus Altgeräten entwickeln
Mein Take
In Deutschland fordern wir oft: Die Politik soll sich raushalten. Der Markt soll das regeln.
Die bittere Wahrheit: In der neuen Weltordnung funktioniert genau das nicht mehr.
Die Ära der freien Weltmärkte ist vorbei. Was wir jetzt erleben, ist eine neue Form des wirtschaftlichen Nationalismus.
Unsere Wettbewerber agieren genau so. China plant seit Jahrzehnten strategisch. Die USA vertreten aggressiv ihre wirtschaftlichen Interessen. Die Idee des freien Marktes ohne Einmischung existiert de facto nicht mehr.
Die Kosten für mehr Sicherheit und Unabhängigkeit mögen kurzfristig hoch sein. Aber wie die aktuelle Krise zeigt: Die Kosten für Abhängigkeit können noch viel höher sein.
Was wir brauchen, ist ein Investment-Mindset. Wir müssen wegkommen vom Fokus auf kurzfristige Gewinne. Von der Fixierung auf die nächsten Quartalszahlen. Jetzt heißt es: Strategisch denken. Langfristig investieren.
PS: Wie immer bespreche ich das Thema noch etwas ausführlicher im begleitenden Podcast.
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Der eine Grund warum ich bei Mercedes jeden Tag frustrierter wurde
2019. Mein letztes Jahr bei Mercedes.
Mein größtes Problem? Nicht komplexe Projekte. Nicht schwierige Kunden.
Sondern dieser tägliche Wahnsinn:
8 Stunden Meetings. Danach ein Berg ungelesener Mails. Newsletter. LinkedIn-Posts. Studien. Der ganze Info-Overload.
Mein Anspruch war, über alles Bescheid zu wissen. Die Realität? Für nichts hatte ich Zeit.
Nach 20 Uhr endlich Ruhe zum Lesen.
Aber ehrlich? Nach 8 Stunden Meetings war mein Kopf leer.
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Hier die Wochenperformance der wichtigsten Automotive-Werte:

Woche Δ: Kursveränderung der letzten Woche
YTD Δ: Kursänderung seit Jahresbeginn
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Das war’s für heute:
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Bis zum nächsten Mal,
— Philipp Raasch
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