In eigener Sache
Danke für dieses Jahr

2025 war ein verrücktes Jahr für mich.
Als ich den Newsletter vor bald 2 Jahren gestartet habe, war ich allein. Heute sind wir ein kleines Team. Und du bist einer von mittlerweile 37.000 Abonnenten.

Das ist unfassbar. Danke, dass du mit dabei bist.

Was als Passion-Projekt gestartet ist, ist heute ein kleines Business. Mittlerweile ist es nicht mehr nur dieser Newsletter. Wir sind auf LinkedIn, haben einen wöchentlichen Podcast. Und seit kurzem auch auf YouTube.

Über alle Kanäle erreichen wir jede Woche über 90.000 Automotive-Professionals.

Möglich wird das auch durch ausgewählte Partner, mit denen ich in diesem Jahr zusammengearbeitet habe. Auch an euch: Danke.

Falls du 2025 mit mir zusammenarbeiten möchtest:

Herzlich willkommen zur 98. Ausgabe von Der Autopreneur.

40 Jahre lang war es eine der erfolgreichsten Partnerschaften der Weltwirtschaft. Deutsche Ingenieurskunst trifft chinesischen Ehrgeiz. Zusammen haben wir Autos nach China gebracht. Und Milliarden verdient.

Heute ist alles anders. Deutsche Autohersteller verlieren in China Marktanteile. Von 24% auf 15% in nur 5 Jahren.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es: China ist verloren.

Aber stimmt das wirklich?

Beatrix Keim kennt die Antwort. Sie ist DIE China-Expertin der deutschen Autoindustrie. Über 30 Jahre Erfahrung bei VW, BMW, Jaguar Land Rover. Fast zwei Jahrzehnte davon in China.

1991 war sie das erste Mal in Peking. Damals eine Stadt voller Fahrräder. Zwei Metro-Linien. Rationsmarken für Lebensmittel.

Ich habe mit ihr gesprochen. Über den Aufstieg deutscher Marken in China. Über den fatalen Fehler, den alle gemacht haben. Und warum sie trotz allem optimistisch ist.

Beatrix sagt einen Satz, der hängen bleibt:

"China spielt Poker mit uns. Aber sie zeigen uns die Karten. Wir müssen nur lernen, sie zu lesen."

Heute schauen wir uns an, was sie damit meint. Warum wir China unterschätzt haben. Und wie es für deutsche Autobauer in China weitergeht.

Warum wir verloren haben

1984 gründet VW als einer der ersten westlichen Autobauer ein Joint Venture in China. Mit der Shanghai Automotive Industry Corporation. Kurz: SAIC.

Die Spielregeln sind klar: Marktzugang gegen Technologietransfer. 50-50 Partnerschaft. Die deutschen Expats haben einen klaren Auftrag: Die chinesischen Kollegen so weit bringen, dass man selbst nicht mehr gebraucht wird.

War das naiv?

Beatrix sagt nein: "Technologietransfer war der Preis für den Marktzugang. Das wussten alle."

Die wahre Naivität lag woanders. Wir haben die Ambition unterschätzt. Wir dachten, China will aufholen. In Wahrheit wollte China überholen.

Aber zunächst funktioniert die Partnerschaft perfekt.

Der VW Santana wird zum Symbol. "Der läuft und läuft und läuft." Genau wie der Käfer in Deutschland.

Von Chinas Norden bis zum Süden. Vom Westen bis zum Osten. Überall fährt ein VW. Und überall funktioniert er.

Beatrix erinnert sich: "Wenn man sagte, man arbeitet bei VW in China, musste man nichts weiter erklären. Das war Stolz."

Fast 40 Jahre lang ist VW die Nummer 1 in China. Der Marktanteil liegt zeitweise über 40%.

Aber wir machen einen entscheidenden Fehler. Wir schauen durch die deutsche Brille auf China.

Ein Beispiel macht es greifbar:

In Europa gehen wir zu Obi. Kaufen Material. Und reparieren selbst. Das ist DIY-Kultur.

In China ist das undenkbar. Wenn was kaputt ist, lässt man es machen. Man will Convenience. Nicht Arbeit.

Wir haben Autos für den 50-jährigen deutschen Ingenieur gebaut, der Spaltmaße liebt.

China ist aber ein Markt von 30-Jährigen, die mit WeChat und Alipay aufgewachsen sind.

Die wollen kein mechanisches Meisterwerk. Sondern ein Smartphone auf Rädern.

Beatrix bringt es auf den Punkt: "Der Fehler war, sich nur auf die Ingenieursleistung im Antrieb zu konzentrieren. Nicht auf Design und den digitalen Anspruch des Kunden."

Und während wir stolz auf unsere Motoren waren, hat China die Digitalisierung vorangetrieben.

Das Ergebnis sehen wir heute: BYD überholt VW. Xiaomi baut in 3 Jahren ein Auto, das mit Porsche konkurriert. Chinesische Marken kontrollieren 69% des eigenen Marktes.

Aber wie konnte es soweit kommen?

Die Antwort liegt im Jahr 2012.

Da kommt Xi Jinping an die Macht. Das ist der eigentliche Wendepunkt.

Er räumt auf. Korruption wird bekämpft. China positioniert sich als starker Player.

Und es entsteht ein neuer chinesischer Nationalstolz.

Gleichzeitig läuft etwas im Hintergrund, das viele nicht ernst nehmen: Die 5-Jahres-Pläne.

Beatrix sagt: "Das war naiv. Nicht die Joint Ventures an sich. Aber zu unterschätzen, wie langfristig China strategisch denkt."

China arbeitet in 5-Jahres-Plänen. Die Wirtschaft wird staatlich gelenkt. Viel stärker als bei uns.

Und in diesen Plänen wurde die Strategie für E-Autos festgeschrieben.

Warum E-Autos?

Nicht wegen des Klimas. Sondern aus strategischen Gründen.

Mit Verbrennertechnologie kann China nicht mithalten. Der Vorsprung der etablierten Autoländer ist zu groß.

Also konzentriert man sich auf etwas Neues. Alternative Mobilität. Batterien. Software.

Und pumpt hunderte Milliarden Dollar in die Industrie.

Beatrix formuliert es so: "China agiert als Gesamtkonstrukt. Staat und Wirtschaft zusammen. Bei uns ist das nicht Staatsresort."

Genau das war unser Nachteil.

Aber jetzt verschiebt sich was.

Beatrix Keim ist die China-Expertin der deutschen Automobilindustrie

Warum deutsche Hersteller jetzt zurückkommen können

Die aktuelle Lage ist brutal. Und viele in der Branche sind pessimistisch.

Aber Beatrix sieht es anders. Sie ist optimistisch.

Und sie nennt 5 konkrete Gründe:

1. Der neue 5-Jahres-Plan

Die Signale sind klar: Der Fokus verschiebt sich ab 2026. Weg von Mobilität. Hin zu Quantentechnologie, Bio-Manufacturing, Militär.

Im Entwurf des neuen Plans werden E-Autos nicht mehr als "strategische aufstrebende Industrie" priorisiert. Sie gelten jetzt als "etabliert".

Das bedeutet: Weniger Subventionen. Weniger staatlicher Schutz.

Der chinesische Automarkt ist überhitzt. Zu viele Player. Brutaler Preiskampf. Viele Hersteller verkaufen unter 200.000 Autos pro Jahr. Das ist nicht profitabel.

Beatrix formuliert es so: "Die Revolution frisst gerade ihre eigenen Kinder."

Viele chinesische Hersteller werden nicht überleben. Der Markt wird sich bereinigen.

Das ist eine Chance für die Etablierten.

2. Qualität wird wieder wichtig

Das neue Leitthema im 5-Jahres-Plan: Qualität, Sicherheit, Stabilität.

Es gab zu viele Unfälle. Der Markt ist zu schnell gewachsen. Unausgereifte Technologie. Falsche Nutzung.

Ab 2026 werden neue Standards verpflichtend.

Das erzwingt genau die Qualität, die viele chinesische Startups im China Speed vernachlässigt haben.

3. Wir sind ein riesiger Arbeitgeber

VW beschäftigt knapp 100.000 Menschen in China. BMW und Mercedes tausende weitere.

Und China steckt immer noch in einer Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit ist hoch.

Beatrix sagt: "Die Regierung kann es sich nicht leisten, diese Menschen auf die Straße zu setzen."

Das ist sowas wie eine politische Lebensversicherung.

4. Neue Modelle kommen

Die deutschen Autobauer haben verstanden: Autos in Deutschland für China zu entwickeln funktioniert nicht. Sie sind zu weit weg vom Geschmack der Kunden dort.

Deshalb entwickeln sie jetzt in China für China. Günstiger und näher am Kunden.

Sie arbeiten mit lokalen Partnern um bei digitalen Technologien aufzuholen.

In den nächsten Jahren kommen dutzende solcher Modelle auf den Markt.

5. Gegenseitige Abhängigkeit

Beatrix sagt: "China braucht den Handel. Der Binnenmarkt reicht nicht aus."

Decoupling macht für beide Seiten keinen Sinn. China braucht Europa. Europa braucht China.

Mein Take

Die Karten lagen immer auf dem Tisch.

Die 5-Jahres-Pläne waren öffentlich. Die Strategie für E-Autos auch.

Aber wir haben sie unterschätzt. Nicht ernst genommen. Ignoriert. Vielleicht auch einfach nicht verstanden.

Warum? Zwischen Deutschland und China liegen knapp 8.000 km. Aber kulturell Welten.

Wir ticken komplett anders. Und genau das interkulturelle Verständnis fehlt häufig immer noch.

Das ist der Kern des Problems. Nicht die Technologie. Nicht die Strategie. Sondern das Verständnis.

Aber es gibt Hoffnung.

Beatrix sagt: In 5 Jahren steht die deutsche Autoindustrie in China besser da als heute.

Nicht mehr mit 50% Marktanteil. Aber als stabiler, profitabler Player in einem bereinigten Markt.

Sicher wird es Opfer geben. Beatrix sagt: "Ich glaube nicht, dass Skoda in China überleben wird."

Aber für die großen Player gilt: Wir haben gute Karten. Wir müssen sie nur ausspielen.

Aber vor allem: Endlich lernen, die Karten der Chinesen zu lesen. Denn die liegen immer noch offen auf dem Tisch.

PS: Das komplette Gespräch mit Beatrix gibt es auf YouTube und im Podcast. Da sprechen wir über China in den 90ern, die ersten Joint Ventures und was wir uns von China abschauen sollten.

In eigener Sache
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Woche Δ: Kursveränderung der letzten Woche
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Bis zum nächsten Mal,
Philipp Raasch

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